Refugees Welcome

Nächstenliebe ins Stadion tragen

Der Gedanke, Flüchtlinge ins Stadion einzuladen, ist ja nicht neu, doch nun wurde die Idee auch bei uns und öffentlich ausgesprochen, bzw. geschrieben. Es wurden dazu Mitstreiter bzw. Paten gesucht. Man denkt sich; super Idee, laden wir die Flüchtlinge zu uns ins Stadion ein. Der erste Schritt ist schnell und unkompliziert getan, per Mail angemeldet und eine freundliche du-bist-dabei Antwortmail erhalten. Aus Sicherheitsgründen wurden letzte Informationen zum Ablauf und zu den Treffpunkten bis in die frühen Morgenstunden am Spieltag geheim gehalten. Als die Mail endlich da war, wurden schnell noch die Teilnehmer aus unserem Fanclub informiert und erst mal ab zur Arbeit.

Dann kamen die Gedanken, wie wird es ablaufen, auf wen wird man treffen? Wie werde ich mich verhalten, wie sich unsere Freunde auf Zeit? Wie wird man sich verständigen können? Viele Fragen gehen einem durch den Kopf. Es war einfach, über moderne Kommunikation “ja, ich mache mit” zu sagen, doch nun wird es Realität. Es ist wie mit anderen Ängsten, Herausforderungen und Neuerungen, man muss sich dem stellen, um es bewerten zu können.

Am Treffpunkt angekommen, hatten wir noch eine gute halbe Stunde Zeit und trafen auf Mitstreiter mit durchaus ähnlichen Gedanken. Es ist wie ein kleines Fantreffen, mit vielen Aha-Effekten. Du bist also der oder die bei Forum oder Twitter. Es wurden nun ständig mehr Teilnehmer und eine immer bessere Stimmung. Es fühlte sich immer besser an, Teil dieser Aktion zu sein.

16:45 Uhr ergriff tomsen, der Initiator, das Wort. Mit ein paar gut gewählten Sätzen umschrieb er seine Sicht und den geplanten Ablauf des Abends. Die Sicherheitskonferenz hatte eine Änderung beschlossen, wir werden nicht in kleinen Gruppen zur Flüchtlingsunterkunft gehen und unsere Stadionpartner dort abholen. Stattdessen sollten wir als große Gruppe vom Imbisswagen bis zur Festwiese gehen und würden dort auf die Refugees treffen. Als wir auf der Festwiese ankamen, wurden wir Paten mit Applaus empfangen, ein unheimlich schöner Gänsehautmoment. Nun sollten wir auf eine der vielen kleinen Grüppchen wartender Flüchtlinge zugehen und uns mit ihnen anfreunden und gemeinsam ins Stadion gehen. Es fühlt sich seltsam an, wenn man noch keinen näheren Kontakt zu den Asylbewerbern hatte. Wir hatten dann doch eine Gruppe von ca. 5 Erwachsenen und 2-3 Kindern angesprochen. Die Frage nach der Kommunikation war schnell geklärt, einer der Jungs sprach ziemlich gut Deutsch, nach 5 Monaten in Deutschland und ein Weiterer konnte Englisch. Wir erfuhren, dass sie aus dem Kosovo stammen, dabei hatte ich mich irgendwie auf Syrer eingestellt. Was wir so überblicken konnten, waren jedoch insgesamt sämtliche aus den Medien bekannte Nationalitäten dabei. Zusammen machten wir uns nun auf den Weg über die Festwiese zum Stadion. Der Junge sprach mich auf meinen RB-Fanschal an, ob er ihn haben könne. Den hatte ich mir erst am vergangenen Sonntag in der Cottaria gekauft und trug ihn zum ersten Mal. Ich hatte jedoch noch einen zweiten Schal unseres Fanclubs um, somit gab ich ihm den Schal. Leuchtende Kinderaugen als Reaktion zeigten mir, das war richtig so.

Gemeinsam und völlig problemlos gelangten wir ans Stadion, durch die Sicherheitsschleuse und zu unserem Block. Ein kleines deutsches Problem gab es jetzt, wir hatten zwar Karten für denselben Block, jedoch für unterschiedliche Sitzreihen. So war es sicher nicht gedacht, dass wir Paten für uns und die Flüchtlinge für sich sitzen sollten. Also entschieden wir kurzerhand, dass wir alle in unserer Sitzreihe sitzen werden.

Die Zeit bis zum Anpfiff wurde unterschiedlich genutzt. Wir fragten die Flüchtlinge etwas nach ihrem Leben aus, andere übten unsere Fangesänge und wieder andere machten Fotos. Endlich ging auch das Spiel los, beim Einlaufen hielten wir gemeinsam unsere Schals hoch und applaudierten unserer Mannschaft. Man sah schnell, dass das Üben der Fangesänge etwas genutzt hatte und wir eine überraschend gute Stimmung im Block hatten! Man feuerte gemeinsam an, seufzte bei vergebenen Chancen und klatschte sich beim ersten Tor ab. Wie im Fanblock auch, nur eben mit etwas weniger “Fanausrüstung”.

Beim zweiten Tor riss der Mann neben mir euphorisch seine rot-weise Jacke von der Lehne und schwenkte sie wie eine Fahne und bejubelte unser Tor. In diesem Moment trennte uns nichts, wir freuten uns und jubelten gemeinsam, vergaßen alle Termine und sonstigen Probleme. Der Rest des Spieles verlief mit kollektivem Anfeuern und Stöhnen, einer kleinen Spieleranalyse und den üblichen Fangesängen. Etwas exotischer klang es schon, gerade mit der mitgebrachten Bongo-Trommel, aber fast genauso engagiert wie im Fanblock.

Nach dem Spiel sollten wir die Gruppen am Treffpunkt an ihre Betreuer übergeben, was im Gedränge nach dem Spiel gar nicht so einfach war. Es sollte dann noch ein Grillen geben, an welchem ich mit meinem Sohn aber leider nicht teilnehmen konnte. Als wir an der Ernst-Grube-Halle vorbei liefen, hörten wir die Bongotrommel und unsere Fangesänge herüber schallen. Der Abend wirkt definitiv länger nach, als bis zum Schlusspfiff.

Was hat es gebracht? Dankbare Menschen und Gesichter, gemeinsame Emotionen, etwas mehr Wissen über fremde Länder und dass ein Abend mit verschiedenen Religionen, Kulturen und Sprachen friedlich und schön ablaufen kann. Das war gelebte Nächstenliebe, welche ein tragender Grundpfeiler einer Gemeinschaft sein sollte.

Es ist einfach, etwas über moderne Kommunikation zu sagen, es ist schwerer den Schutz von PC und Smartphone hinter sich zu lassen und sich der Realität zu stellen, aber es lohnt sich. Jetzt kann man mitreden und sieht einiges bestätigt oder völlig anders. Ich werde mich zu solch einer Aktion wieder melden, das ist es allemal wert.

Aus einem Bericht der HOLY BULLS